Sechs Architekturstudenten im 6. Studiensemester der Hochschule Coburg nutzen die Gewerbefläche im Steinweg 35 seit kurzem temporär als gemeintschaftlichen Arbeitsraum. Noch bis zum vergangenen Herbst war in dem Laden das Geschäft Foto Wiesner ansässig. Mit dem Umzug des Familienunternehmens ins gegenüberliegende Objekt Steinweg 34 und dem Erwerb des Gebäudes Steinweg 35 durch die Wohnbau Stadt Coburg GmbH als Saneirungstreuhänder der Stadt Coburg, stand die Fläche einige Monate leer. Im Zuge des Sanierungsgebiets II/VII steht dem Gebäude Steinweg 35 in den nächsten Jahren eine Sanierung zu Wohn- und Lebensraum für junge Menschen bevor. Bis die Bauarbeiten beginnen, belebt die „Zwischenzeit Steinweg“-Nutzung den Leerstand in der nördlichen Innenstadt.

Die sechs Studierenden Sebastian Blüml, Timo Dötzer, Samuel Habel, Jan Müller, Noah Schlumberger und Finn Waurich verstehen sich als Kollektiv und nutzen die Räumlichkeiten als Atelier für freies und interaktives Arbeiten mit dem Schwerpunkt Gestaltung und Architektur. Abseits des Studiums und der theoretischen Auseinandersetzung mit Architektur untersuchen die jungen Coburger unterschiedliche Fragestellungen praktisch. In ihrem Ort des kreativen Schaffens beschäftigen sie sich gemeinsam oder individuell mit hochschulinternen sowie freien Projekten und versuchen diese auch zu realisieren. Dazu gehören einerseits die Entwicklung von Mobiliar, welches sie in ihrem Alltag flexibel nutzen können und andererseits auch konkrete planerische Aufträge. Durch die Lehre an der Hochschule haben sie ein großes Interesse am ländlichen Raum, nachhaltigem Bauen und resilienten Stadtstrukturen entwickelt. Insbesondere die Frage der Post-Corona-Stadt ist dem Kollektiv ein Anliegen und ein Grund für ihr Engagement in ihrem Studienort.

Für Studentinnen und Studenten bringt die Corona-Pandemie besondere Schwierigkeiten mit sich. Die aktuelle Lage hat zur Folge, dass viele Studierende in finanzielle Engpässe geraten und das fehlende Studienleben die jungen Menschen belastet. Hinzu kommt, dass Arbeitsraum für studentisches Arbeiten nicht in der Hochschule bereitgestellt werden kann. Leerstehende Flächen in der Innenstadt erhalten dadurch einen neuen gesellschaftlichen Wert.

In den vergangenen sechs Monaten hat die Gruppe verteilt auf verschiedene Städte in Deutschland praktische Erfahrungen in Architekturbüros gesammelt. Die Zeit brachte ihnen neue Perspektiven näher, wie sie in Zukunft ihr Studium weiterführen möchten. Dabei kamen Fragestellungen auf wie: „Was bedeutet es in dieser Zeit zu studieren? Wie generieren wir als junge Menschen durch unsere Arbeit einen Mehrwert für unseren Studienort? Wo sehen wir uns selbst in der Zeit nach dem Studium?“ Zurück in Coburg fanden sie sich allerdings nicht im vertrauten Umfeld der Hochschule wieder, sondern alleine sitzend in ihren kleinen Zimmern in digitalen Hörsälen. Was für die Studenten die größte Stärke des Campus Design war – das vernetzte, interdisziplinäre und freie Arbeiten – möchten sie für sich fortführen und dem Ansatz des gemeinschaftlichen Arbeitens einen analogen Raum geben. Sie sehen sich als Schnittstelle zwischen Innenstadt Coburg und der Hochschule, insbesondere dem Campus Design und möchten die Kommunikation stärken. Die studentische Gruppe engagiert sich selbst in unterschiedlichen Positionen an der Hochschule im Parlament, der Fachschaft und als Tutoren. Daher ist es ihnen ein wichtiges Anliegen, die Verbindung und den Austausch zwischen der Stadt Coburg und den Hochschulcampus zu stärken. Die Zwischennutzung vereint Kunst, Kultur und Wissensvermittlung im interaktiven Raum, ergänzt die Nutzungformen aus Einzelhandel und Gastronomie und trägt somit zu einer resilienten Innenstadtstruktur bei. Das Kollektiv möchte mit ihren individuellen Mitteln kulturelle Verantwortung übernehmen, um das Erbe der Europäischen Stadt weiterzuführen und den Gedanken der Teilhabe und der Demokratie weiterzutragen.

Ihre Arbeit möchten die Studierenden auf unterschiedlicher Weise nach Außen tragen und als junge Menschen in der Coburger Innenstadt mit Anderen in Dialog treten. Die angehenden Architekten fassen es so zusammen: „Wir werden versuchen die Bühne, die uns gegeben wurde, zu nutzen um studienbezogene und freie Arbeiten auszustellen und zu präsentieren. Ergänzend ist in Workshops und Veranstaltungen zusammen mit anderen Akteuren im Steinweg auch ein praktischer Austausch denkbar. Das Atelier schafft für uns in den kommenden Monaten die Balance unsere studentischen Projekte auszuarbeiten, aber uns auch einen Mehrwert zu generieren. Und dies ermöglicht Themen der Stadtentwicklung und Baukultur im öffentlichen Raum präsent zu machen.“